Warum Take Back the Night 2021?
Wir haben dieses Jahr in Berlin die feministische Walpurgisnacht, die „Take Back the Night“ Demo, organisiert. Dazu haben wir uns entschieden, weil wir denken, dass wir einen offensiven Feminismus brauchen. Dieser soll fernab vom zahnlosen Staatsfeminismus und auch fernab von akademischen Kuscheldiskursen stehen. Weltweit wachsen feministische Bewegungen und radikalisieren sich. Sie bergen das Potential nach innen Schutz und Kraft zu bieten, nach außen anzugreifen und dennoch anschlussfähig zu bleiben. Militante Feminist*innen in Mexiko, in Rojava und überall auf der Welt zeigen uns, dass der Kampf gegen das kapitalistische Patriarchat kein friedfertiger sein kann. Auch in Berlin erscheinen und agieren immer mehr feministische Gruppen, die sich weder Staat noch Kapital anbiedern. Rund um die Räumung der Liebig34, der Vernetzung gegen Feminizide und der Unterstützung der Kämpfe in Rojava, haben sich auch hier in Berlin Flintas organisiert und setzen Standpunkte.
Wir sehen genau da auch Potenzial für revolutionäre Prozesse. In Momenten wie diesen organisieren wir uns als Betroffene vom Patriarchat und fühlen gemeinsame Stärke. Diese Momente sind ebenso Teil von permanenten Angriffen auf die herrschende patriachale und kapitalistische Ordnung. Wir, als Flintas, haben häufig Unterdrückung auch in all gender Zusammenhängen erlebt und sehen, dass ein wichtiger Raum der Erprobung ein Raum ohne Cis-Männer ist. Das haben wir auch am 30.04. gemerkt. In unserer Wut auf die patriachalen Zustände und der sexistischen Unterdrückung lernen wir gemeinsam gefährlich zu sein. So wollen wir es unseren Kompliz:innen weltweit gleichtun und Täter, Bullen und Kapital angreifen.
Die Walpurgisnacht – Ein Abriss
Die Demo am 30. war ein Versuch dieser Analyse Ausdruck zu verleihen und angriffslustig die Straßen dieser Stadt zu füllen. An die 3000 Flintas kamen zusammen, teilweise sogar aus anderen Städten angereist. Vom ersten Redebeitrag an, war die Stimmung am Spreewaldplatz bestimmt und unversöhnlich. Es war klar: wir vertrauen weder auf die Cops noch auf den Staat, wenn es um das Aufbrechen von Unterdrückung geht. Bei einigen, auch sehr persönlichen Beiträgen am Anfang wurde es still auf dem Platz – Gänsehautstimmung. Es war ein Gefühl von Verbundenheit und Wut in der Luft. Die Demo baute sich dann am Anfang der Ohlauer auf. Es gab sehr viele organisierte Leute und einen stabilen Frontblock. Es war klar, dass es keine Latschdemo sein würde. Dynamisch startete die Demo. Feuerwerk gab es bereits am Anfangspunkt und dann direkt in der Reichenberger eine Pyroaktion vom Dach. Später hat auch die Köpi noch mit Pyro die Demo begrüßt. An den Seiten der Reichenberger, saßen zwei Leute mit Seilen befestigt an Laternenmasten und haben die Demo mit feministischen Transpis empfangen. Die Rufe waren laut und ununterbrochen. Wir hatten uns entschieden, dass die Demo nicht mit von einem Lauti begleitet wird, da wir die Verantwortung eine:r jeden Einzelnen* darin sehen der Demo ihren kämpferischen Ausdruck zu geben.
Als die Cops die Demo das erste Mal stoppten, regte sich Widerstand. Es wurde unaufhörlich gerufen. An anderen Stelle wurde mit aller Kraft auf alles geklopft, was da war – Baustellen, Lieferwägen und anderem. So entstand unaufhörlich eine Klangkulisse, die zeigte wie viele Entschlossene hier zusammen gekommen sind. Die Cops hatten uns unterschätzt, so wie sie es oft machen. Es wurde unfassbar viel Pyro gezündet und aus der Demo heraus wurde gesprüht. Als die Cops versuchten uns im Spalier zu begleiten, wurden sie zurückgedrängt. Es gab Angriffe auf den Graue Wölfe Laden Hasir und auch Bullen wurden mit Eiern und Tomaten beworfen. Generell wurden die Cops immer wieder in die Schranken gewiesen: mit Knüppelfahnen oder mit anderem beworfen. Wie so häufig und gerade auch bei feministischen Demo waren am Rande einige Fascho Youtuber, die livestreamten. Wir hörten, dass einer von diesen ordentlich kassiert hat. Das nächste Mal werden die Anderen auch was abkriegen.
Festnahmen und Repression
Einige Wochen vor der Demo organisierten wir ein Kiezradio in der Zielona Góra, um für die Demo zu mobilisieren. Dazu servierten wir Küfa und Getränke. Schon da hatten die Bullen ein Riesenaufgebot mit 6 Wannen samt Staatsschutz aufgefahren und versuchten uns den Nachmittag zu versauen. Immer wieder nervten sie mit Auflagen, Fragen nach Anmeldungen und nahmen schließlich sogar eine Person kurzzeitig in Gewahrsam. Nach einigem Heckmeck und unserem Versuch die Bullen immer wieder ins Leere laufen zu lassen, mussten wir das Radio doch um die zwanzig Minuten früher beenden. Das ließ keine gute Aussicht auf die Walpurgisnacht zu. Der Rückschluss lag nahe, dass sie uns mit Bullen überrennen werden. Dem war aber nicht so. Bullen aus NRW waren für uns „zuständig“, die sich eindeutig nicht mit Berliner Demokonzepten auskannte und sicher auch sexistisch und überheblich nicht viel von uns erwarteten. Zu Anfang war die Begleitung vor allem in der Mitte und am Ende der Demo dünn.
Doch dann mussten sich die überforderten NRW Bullen BFE Einheiten zur Unterstützung rufen.
Anders als angemeldet haben wir gezielt frühzeitig aufgelöst, was ordentlich verwirrt hat. Am Franz Mehring Platz haben sich Leute in Kleingruppen entfernt und es gab sogar noch eine Sponti die sich aus der Demo herausbildete. Die meisten Leute kamen gut nach Hause, aber am Rand und Ende der Demo haben die Cops auch Leute festgenommen. Eine besonders brutale und rassistische Festnahme gab es in der Libauerstraße kurz nach Auflösung. Die Bullen hatten gewartet, bis sich eine kleine Personengruppe in die Straße begibt um dann mit 20 behelmten Cops die einzige Bpoc-Person rauszuziehen. Unsere Solidarität gilt dieser und auch anderen festgenommenen Personen.
Selbstkritisch müssen wir sagen, dass es leider Missverständnisse beim Gesa Support gab. Wir haben diese Struktur zwar gestellt, aber durch Misskommunikation löste sich dieser zu früh auf. In den vergangenen Wochen streuen die Bullen das Gerücht, dass Personen aufgrund der Ausgangsperre erst nach 5:00 aus der Gesa entlassen werden. Dies brachte uns auch ein wenig aus dem Konzept und wir unterschätzten dann den Orga-Aufwand. Aber wie immer lügten auch da die Bullen dreist und Menschen wurden auch vor 5:00 rausgelassen. So wurden Leute leider teilweise von unserer Seite nicht unterstützt, als sie rauskamen. Das ist scheiße und tut uns leid.
Auch die Auflösung wollen wir besser planen, so dass keine:r zurückbleibt. Hier ist eine große Frage, wie sich organisierte und unorganisierte Strukuren gegenseitig vertrauen können und die Informaionen selbstverständlicher und hierarchiearmer durch die Reihen sickern. Das werden wir weiter evaluieren.
Wir danken allen Kompliz:innen, die mit uns auf der Straße waren und freuen uns schon auf die Demo das nächste Jahr. Bis dahin wollen wir auch weiterhin unseren Beitrag für mehr militanten Feminismus leisten.
Für Feedback, Rückfragen oder Support bei Repression schreibt uns gerne eine Email an: take-back-the-night-bln21@riseup.net
Alerta, alerta, anarcha feminista!